2 NOV. 2024 · LiteraturPur #51: Ein abgelegenes Dorf in Italien. Ein uraltes Ritual, das es nur da gibt und das mit dem Sterben zu tun hat. Und eine Dorfgemeinschaft, die an diesem Ritual festhält. Das ist der Stoff von Vincenzo Todiscos Roman «Der Geschichtenabnehmer». In diesem Dorf geht kein Mensch von dieser Welt, bevor er nicht eine Nacht lang erzählen und letzte Dinge loswerden kann. Ein Knabe, der im Dorf zum Geschichtenabnehmer bestimmt ist, sitzt am Sterbebett, hört zu und nimmt alle Geschichten auf. Vincenzo Todiscos neuer Roman fängt die magische Atmosphäre einer Kindheit in einem italienischen Bergdorf ein, wo die Tradition des Erzählens in besonderer Weise lebendig ist. Jede Geschichte bringt ein neues Stück Vergangenheit des Sterbenden und seiner Beziehung zur Dorfgemeinschaft zutage. Im Gespräch erzählt mir Vincenzo Todisco von dem Dorf aus seiner Kindheit, das ihn zu dieser Geschichte inspiriert hat. Auch vom Gefühl, wie die Zeit sich anders verhielt in den langen Sommern im Heimatdorf seiner Eltern in Italien. Da schritt die Zeit nicht voran, sondern dehnte sich aus. Und dann gibt es natürlich auch einen Strang, der in die Schweiz führt, wohin seine Eltern in den 60er Jahren als Gastarbeiter ausgewandert sind.
Vincenzo Todisco, «Der Geschichtenabnehmer», Atlantis Literatur